Steuerentstehung und -berichtigung bei späterer Vereinnahmung des Entgelts
Inhalt
Mit seinem am 2. März 2023 veröffentlichten Beschuss vom 28. September 2022 (XI R 28/20) hat sich der BFH erneut mit der Frage auseinandergesetzt, wann die Umsatzsteuer entsteht, wenn die Vergütung für eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht zeitnah, sondern später und in Teilbeträgen geleistet wird. Dabei bewegt sich das Urteil des 11. Senats auf einer Linie mit einem Urteil des 5. Senats vom 1. Februar 2022 (V R 37/21). Die Rechtsprechung des BFH kann daher in dieser Frage als nachhaltig angesehen werden.
Worum ging es im Urteilsfall?
Der Kläger hatte für seinen Kunden eine Fotovoltaikanlage im Wert von EUR 1.258.000,00 zzgl. USt errichtet. Es waren verschiedene Teilzahlungen vereinbart und insbesondere regelten die Vertragsparteien, dass tatsächliche Zahlungen nur erfolgen sollten, soweit diese aus den laufenden Einnahmen für die Stromeinspeisung aus der Anlage beglichen werden können.
Die Anlage wurde in den Jahren Jahr 2011 und 2012 vollständig errichtet. Von den EUR 1.258.000,00 wurde entsprechend der getroffenen Vereinbarungen in 2011 und 2012 nur Teilbeträge gezahlt.
Der Kläger führte in den Jahren 2011 und 2012 mit seiner Umsatzsteuererklärung lediglich den auf diese Teilbeträge entfallenden Umsatzsteuerbetrag ab.
Das Finanzamt vertrat jedoch die Auffassung, dass der Kläger bereits die gesamte Umsatzsteuer für die Errichtung der Anlage schulde, da die Lieferung bereits erfolgt sei. Auf die Zahlungsmodalitäten komme es nicht an.
Der Kläger versteuerte seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten (sog. „Sollversteuerung“ – Regelfall).
Wie ist die Rechtslage und warum kam es überhaupt zu dem Streit?
Gemäß § 13 Abs. 1. Nr. 1a UStG entsteht die Umsatzsteuer grundsätzlich mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem eine Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt wird. Auf die tatsächliche Vereinnahmung des Entgelts für diese Leistung kommt es nicht an.
Wird das eigentlich geschuldete Entgelt zu einem späteren Zeitpunkt uneinbringlich (z.B. aufgrund Insolvenz des Leistungsempfängers) oder ändert sich nachträgliche die Bemessungsgrundlage (z.B. durch Skonti oder nachträglich vereinbarte Preisnachlässe), wird die ursprünglich geschuldete – und in der Regel bereits abgeführte – Umsatzsteuer entsprechend berichtigt (§ 17 UStG).
So weit, so klar – eigentlich.
Allerdings hatte es seitens der Rechtsprechung in der Vergangenheit die eine oder andere Ausnahme für diese Grundsätze gegeben, die auch Eingang in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass gefunden haben und somit von der Finanzverwaltung angewendet wurden. Beispielsweise entsteht unter bestimmten Umständen die Umsatzsteuer bei Vereinbarung eines Sicherheitseinbehalts über eine Laufzeit von mind. 2 Jahren insoweit erst mit tatsächlicher Vereinnahmung des Sicherheitseinbehalts (Abschn. 17.1 Abs. 5 S. 3 UStAE).
Auch im Fall der Umsätze eines Profi-Fußballspieler-Vermittlers hatte die Rechtsprechung darauf entschieden, dass die ratenweise vereinbarte Vergütung erst dann von dem Vermittler zu versteuern ist, wenn sie tatsächlich zufließt. In diesem Fall bestand jedoch die Besonderheit, dass keine schlichte Ratenzahlung vereinbart wurde, sondern die tatsächliche Fälligkeit der Raten zusätzlich davon abhängig war, dass der Spieler auch weiterhin bei dem zur Zahlung verpflichteten Fußballverein unter Vertrag stand. Die Durchsetzbarkeit der Zahlung war also von einem zukünftigen Ereignis abhängig, dass der Spielervermittler nicht beeinflussen konnte.
Gerade die letztgenannte Rechtsprechung wurde in der Fachliteratur z.T. so verstanden, dass der BFH ggf. auch bei „normalen“ Ratenzahlungen dahin tendieren könnte, gegen die Versteuerung des gesamten vereinbarten Entgelts bereits im Leistungszeitpunkt zu entscheiden.
Denn der BFH hatte folgende Sichtweise, die ohne weiteres auf Ratenzahlungsvereinbarungen anwendbar ist, mehrfach im Laufe der Zeit vertreten: Es könne einem Unternehmer, der bezogen auf die Umsatzsteuer ohnehin schon eine Aufgabe des Staates, nämlich die Steuer einzubehalten, übernehme, nicht noch zusätzlich zugemutet werden, auch noch für mehrere Jahre in Vorleistung zu gehen.
Das Urteil
Der 11. Senat hat der Ist-Versteuerung von Ratenzahlungen – wie zuvor auch der 5. Senat – eine Absage erteilt. Auch bei Vereinbarung einer Ratenzahlung, ggf. auch über einen langen Zeitraum, entsteht die Umsatzsteuer bereits im Zeitpunkt der Leistungserbringung. Den Umstand, dass der Unternehmer dadurch im Einzelfall bereits mehr Umsatzsteuer an den Fiskus abführen muss, als er überhaupt von seinem Kunden erhalten hat, hält der BFH (im Übrigen in Übereinstimmung mit dem EuGH) für irrelevant. Die Finanzverwaltung hatte den Umsatzsteuer-Anwendungserlass bereits nach dem Urteil des 5. Senats entsprechend angepasst (Abschn. 17.1 Abs. 5 S. 6 UStAE).
Vor dem Hintergrund des Urteils des 5. Senats war das hier vorliegende Urteil nicht wirklich überraschend. Aufhorchen lässt jedoch der Umstand, dass es sich vorliegend nicht um eine schlichte Ratenzahlung handelte, sondern dass die Höhe der Raten auch noch davon abhängig war, in welchem Ausmaß die Anlage tatsächlich Strom produzierte. Damit war die Höhe der Raten – wenngleich nicht die Zahlung dem Grunde nach – von einem künftigen und damit ungewissen Ereignis abhängig.
Ob damit der Fall des Spielervermittlers heute nochmals so entschieden worden wäre, ist fraglich.
Hinweise für die Praxis
Spätestens mit dem hier dargestellten Urteil ist klar, dass die Vereinbarung von Ratenzahlungen keinen Einfluss auf die Entstehung der Umsatzsteuer hat. Diese entsteht grundsätzlich mit Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung.
Um keine Liquiditätsnachteile hinnehmen zu müssen, empfiehlt es sich, z.B. gemeinsam mit der ersten Rate, die Umsatzsteuer für die Leistung bereits in voller Höhe, von dem Leistungsempfänger zu verlangen. Soweit dieser zum Vorsteuerabzugs berechtigt ist, kann er diesen auch in Höhe des gesamten Vorsteuerbetrags geltend machen, sodass kein Nachteil entsteht.
Das Urteil hat im Übrigen keine Auswirkungen auf Vereinbarungen von Teilleistungen, die entsprechend ratierlich vergütet werden. Hier entsteht die Umsatzsteuer nach wie vor mit Erbringung der jeweiligen Teilleistungen, was auch vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung folgerichtig ist.