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  • 22. Dezember 2017
  • ÜDD Vorträge

Fallstricke bei der Insolvenzanfechtung

Risiken erkennen, Risiken minimieren…

… dieses Motto hatte Kai-Jens Egerlandt, LL.M., Rechtsanwalt bei AHW Steuerberater Wirtschaftsprüfer Rechtsanwälte, als Untertitel seines Vortrags über Insolvenzanfechtung gewählt, und in diesem Sinn gab er den Teilnehmern wertvolle konkrete Ratschläge mit auf den Weg.

Im Insolvenzfall ist nichts sicher

Egerlandt, der bereits mehrere hundert Anfechtungsfälle betreut hat, erläuterte den interessierten Zuhören zunächst, weshalb sich frühere Gläubiger nach der Insolvenz eines früheren Schuldners leider zu Unrecht in Sicherheit wähnen. Für etliche ÜDD-Teilnehmer warn dies völlig neue Informationen:
  • Der Insolvenzverwalter kann Rechtshandlungen, insbesondere Zahlungen, aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die die Insolvenzmasse benachteiligen, rückgängig machen.
  • Die Folge: Anfechtbare Zahlungen müssen vom Gläubiger an die Insolvenzmasse erstattet werden.
  • Dies ist bis zu zehn Jahre lang rückwirkend möglich.

 Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung

Was für den ahnungslosen Betroffenen ungerecht scheint und ein kaum kalkulierbares finanzielles Risiko darstellt, hat allerdings einen „gut gemeinten“ Hintergrund, erklärte Egerlandt: In Insolvenzverfahren gilt der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung – auch rückwirkend. Das bedeutet: Er gilt nicht erst vom Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an, sondern bereits ab dem Zeitpunkt, zu dem eine Zahlungsunfähigkeit tatsächlich eingetreten ist.

Mahnungen schaden, Wissen auch

Besonders problematisch ist aus Sicht eines früheren Gläubigers die folgende Tatsache: Gerade eine frühere Mahnung kann im Nachhinein dazu führen, dass ein erhaltener Rechnungsbetrag Jahre später – verzinst – zurückgezahlt werden muss. Der „gesunde Menschenverstand“ ordnet eine Zahlungsaufforderung als angemessene, faire Maßnahme ein. Doch juristisch kann gerade die Zahlungsaufforderung als Anzeichen dafür gewertet haben, dass der Schuldner bereits von der Zahlungsunfähigkeit des Gläubigers wusste. Es gilt:

Gläubiger, die eine tatsächliche oder vermutete Kenntnis von der Krise hatten, müssen Vermögenswerte, die sie innerhalb der Krise erhalten haben, zu Gunsten der Gläubigergesamtheit wieder herausgeben.

Auswege aus dem Dilemma

Damit ergibt sich eine schwer lösbare Situation für den Schuldner. Wie soll er an das ihm zustehende Geld kommen – und dies auch behalten? Im Extremfall gilt: Verzichtet er von vornherein auf eine Zahlungsaufforderung, wird die Rechnung möglichweise nicht beglichen. Stellt er eine Zahlungsaufforderung, kann es sein, dass er das Geld später zurückzahlen muss.

Kai-Jens Egerlandt rät daher generell zu Vorsicht: „Wer merkt, dass sein Geschäftspartner Zahlungsschwierigkeiten hat, muss die Geschäftsbeziehung entweder abbrechen oder zumindest herunterfahren, um den wirtschaftlichen Schaden und das Anfechtungsrisiko gering zu halten.“ Egerlandt empfahl den ÜDD-Teilnehmern außerdem konkret: „Wer das nicht möchte oder kann, sollte zumindest auf das sogenannte Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO umsteigen und den gegenseitigen Leistungsaustausch innerhalb von maximal 21. Tagen sicherstellen. Dazu ist es regelmäßig erforderlich, Vorkasse vom Geschäftspartner zu fordern und dann innerhalb kurzer Zeit die eigene Leistung zu erbringen.“

Was man dem Insolvenzverwalter nicht sagen sollte

Zum eigenen Schutz riet Egerlandt früheren Gläubigern im Insolvenzfall eines früheren Schuldners zum Verzicht auf „unnötige Preisgabe von Informationen an den Insolvenzverwalter, die dieser dann gegen den Gläubiger verwenden kann.“ Weitere Ratschläge von Egerlandt zum Schutz vor Insolvenzanfechtung:
  • Zurückhaltung bei Ratenzahlungs- und Stundungsvereinbarungen
  • Dokumentieren Sie Ihren Wissensstand möglichst nicht schriftlich
  • Vorsicht bei Forderungsanmeldungen
  • Vorsicht bei Reaktionen auf die Zahlungsaufforderungen von Insolvenzverwaltern

Indizien reichen aus

Bei einer Insolvenzanfechtung ist die Vorgehensweise in der Regel wie folgt:

Der Insolvenzverwalter muss die Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit darlegen und beweisen. Da es sich um sog. „innere Tatsachen“ handelt, reicht es aus, wenn der
Insolvenzverwalter hierzu Indizien darlegt und unter Beweis stellt.

Egerlandt nannte als typische Indizien unter anderem:

  • Zahlungsrückstände bei dem Anfechtungsgegner
  • Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner
  • Lastschriftrückläufer
  • Ratenzahlungs- und/oder Stundungsbitten des Schuldners
  • Nachträgliche Vereinbarung von Sicherheiten
  • Negative Bonitätsauskünfte, Streichung Kreditversicherung (strittig)

Insolvenzanfechtung: ein Praxisfall

Wie eine Insolvenzanfechtung in der Praxis aussieht, demonstrierte Egerlandt anhand einiger vorbereiteter Dokumente und Informationen, basierend auf einem „echten Fall“. Die ÜDD-Teilnehmer hatten die Gelegenheit, ein entsprechendes Anschreiben eines Insolvenzverwalters samt Kontoauszug zu studieren. Im Beispiel ging es um ein Insolvenzverfahren, das im Jahr 2010 eröffnet worden war. Die Klage des Insolvenzverwalters erfolgte erst vier Jahre später, im Juli 2014. Der Zinsanspruch belief sich bis Ende des Prozesses auf rund EUR 10.000.

Dimension der Insolvenzanfechtung

Die jährlichen „Schäden“ durch Insolvenzanfechtungen sind bundesweit ausgeprochen hoch. Ihre genaue Höhe lässt sich kaum seriös schätzen, allein schon, weil die meisten Fälle nicht vor Gericht landen, sondern es zu einer außergerichtlichen Einigung kommt. Sicher ist: Die Insolvenzanfechtung, so skurril sie dem unvorbereiteten Unternehmer erscheinen mag, ist längst kein Einzelfall mehr, sondern ein häufiges Phänomen. Einem Medienbericht zufolge soll die Zahl der betroffenen Unternehmer im Jahr 2014 gegenüber dem Vorjahr um ein Fünftel gestiegen sein. Das Motto von Kai-Jens Egerlandt „Risiken erkennen, Risiken minimieren“ erweist sich damit als umso zutreffender – und die Teilnehmer des 19. ÜDD waren dankbar für die wertvollen Informationen, die Egerlandt ihnen geben konnte.

Ein Ausblick: Insolvenzanfechtung morgen

Die Insolvenzanfechtung ist eines der „heiß diskutierten“ und umstrittenen Fachthemen. Vereinfachungen für die Praxis erwartet Egerlandt absehbar allerdings nicht: „Die derzeitigen Reformbestrebungen werden das Anfechtungsrecht zunächst weiter verkomplizieren. Ob der BGH dem Ansinnen des Gesetzgebers nachgibt und insbesondere die Vorsatzanfechtung einschränkt, bleibt abzuwarten. Sicher ist dies auf keinen Fall, den die Ausweitung der Rechtsprechung basiert auf einer generalklauselartigen Auslegung des Gesetzes durch den BGH, welche auch durch den jetzt aktuellen Gesetzesentwurf nicht beseitigt wird.“

Ihre Ansprechpartner:

Kai-Jens Egerlandt
LL.M.
Rechtsanwalt
Telefon: +49 (0) 22 36 . 39 82 – 94
kai.egerlandt@ahw-kanzlei.de

Christoph Felten
LL.M. oec.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Steuerrecht
Steuerberater
+49 (0) 22 36 . 39 82 – 93
christoph.felten@ahw-kanzlei.de

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